Frage
Meine Geschichte sieht folgendermaßen aus:
Ich  bin jemand, der nach Wissen strebt und die Computerschule mit dem  Prädikat "sehr gut" abgeschlossen hat. Ich bin sehr darin bemüht mein  Studium fortzusetzen, stehe jedoch vor vielen Hindernissen, darunter  folgenden:
Meine  Familie ermuntert mich nicht dazu, mein Studium fortzusetzen. Mein  Vater behandelt mich oft sehr hart und gefühllos, und zwar schon seit  meinem 13. Lebensjahr so. (Ich bin jetzt 25 Jahre alt). Ich habe ihm  schon offen gesagt, dass ich meine finanzielle Lage ändern und mich  weiterbilden möchte, indem ich mein Studium fortsetze. Deshalb werde ich  das Geld von der Arbeit sparen und das Studium im Ausland fortführen.
Ich  wurde aber von meinem Vater überrascht, als er immer wieder mal Geld  von mir forderte. So gab ich ihm natürlich das Geld, da er ja mein Vater  ist. Dies machte ich mit der Hoffnung, dass er mich unterstützen werde,  wenn ich sage, dass ich im Ausland weiterlernen werde. So wollte ich  also das Geld aus der Arbeit ansparen, jedoch fragte mich mein Vater  immer, wie viel Geld ich auf der Bank habe. Er sagte mir: „Heb dein  ganzes Geld vom Konto ab!“
 
Er  fordert dies, obwohl er ein gutes Einkommen hat. Meine Mutter arbeitet  in einer Schule als Putzhilfe. Ihren Lohn nimmt sich mein Vater auch für  sich und er gibt ihr nur selten etwas davon. Wir haben einen Acker, der  nahe vom Haus liegt und auf dem ich, mein Vater und meine Geschwister  arbeiten. Ich leide an einigen Allergien, was meinem Vater aber auch  egal ist. Seine einzige Sorge ist die Arbeit.
 
In  letzter Zeit hat sich meine Lage hinsichtlich der Allergien zugespitzt,  sodass ich mich kostspieligen Behandlungen in speziellen Kliniken  unterwerfen muss. Mir fehlt leider das nötige Geld dazu und mein Vater  weiß dies, schenkt dem aber keine Beachtung. Sein schlechtes Verhalten  hat sich auch auf meine größeren und kleineren Geschwister ausgewirkt,  so kümmert sich jeder nur um sich selbst und fragt nicht nach seinem  Bruder. Ich bitte Allâh immer im Gebet, dass Er die Familie wieder  vereint, da die jetzige Lage sehr traurig ist. 
 
Das  Verhältnis unter den Geschwistern ist sehr kalt, was auf meinen Vater  zurückzuführen ist. Wenn jemand von meinen Geschwistern meinen Vater um  Geld bittet (selbst meine kleineren Geschwister), fängt er an im Haus zu  schreien und sagt, er habe kein Geld, obwohl er einen guten Lohn  erhält. Nach der Rente arbeitet er nun als Taxifahrer, was bedeutet,  dass er noch extra Geld neben der Rente und dem Einkommen meiner Mutter  kassiert. Er hat sogar vier Autos. Mein Vater ist nicht ungebildet oder  dumm, jedoch hat er halt nun mal seine eigene Art.
Zusammenfassung meiner Geschichte:
 
Ich möchte folgende Dinge in der Zukunft tun:
 
- Mein Studium fortsetzen.
 
-  Heiraten um meine Keuschheit zu bewahren und eine islâmische Familie zu  gründen. Ich überlege auszuwandern, damit ich keinen Kredit von der  Bank nehmen muss, der mit Zinsen verbunden ist, was ja auch harâm ist.  Ich erwähne dies, weil mein Vater mir in letzter Zeit sagt, ich solle  einen Kredit von der Bank nehmen, was ich aber nicht will. So möchte ich  mich auf mich selbst verlassen, das Studium fortsetzen und gleichzeitig  arbeiten. Ich möchte dann meiner Familie helfen, indem ich ihnen  gelegentlich etwas Geld zuschicke.
Ich weiß, dass es verboten ist, ohne Erlaubnis der Eltern zu verreisen, jedoch habe ich euch bereits meine Lage geschildert.
 
Ich bitte euch um eine Lösung meines Problems.
Antwort
 
Der Lobpreis ist Allâhs! Möge Allâh Seinen Gesandten in Ehren halten und ihm Wohlergehen schenken!
 
Wir haben die Antwort in mehrere Punkte eingeteilt:
 
- Was sagt der Islâm dazu, dass der Vater das Geld des Sohnes nimmt?
 
Der  Sohn soll seinen Vater mit seinem Geld unterstützen und für ihn  finanziell aufkommen, wenn der Vater diese Hilfe benötigt. Der Vater  darf von dem Geld des Jungen nehmen, wenn er es dringend braucht und  dadurch der Sohn keinen Schaden erleidet.
 
So berichtet ´Amr ibn Schu´aib von seinem Vater, der von seinem Vater Folgendes hörte:
 
„Ein  Beduine kam zum Propheten möge Allah ihn in Ehren halten und ihm  Wohlergehen schenken und sagte: «Mein Vater will mein Geld an sich  reißen.» Da entgegnete der Prophet, möge Allah ihn in Ehren halten und  ihm Wohlergehen schenken: «Du und dein Geld gehören deinem Vater. Das  Beste, was ihr verzehren könnt, ist das, was ihr erworben habt, und euer  Vermögen und eure Kinder sind aus eurem Erworbenen, so verzehrt es  wohlbekömmlich!»“
 
Der  Sohn darf seinem Vater kein Geld geben, wenn dadurch Schaden für ihn  entsteht oder der Vater dieses Geld verschwenderisch ausgibt, damit er  seinen Vater nicht unterstützt, etwas Verbotenes damit zu machen. So  sagte der Prophet möge Allah ihn in Ehren halten und ihm Wohlergehen  schenken : „Man darf sich selber nicht schaden und auch nicht anderen.“  Überliefert von Imâm Mâlik und Anderen.
 
 
Wenn  wir der Meinung folgen, dass der Vater den notwendigen Betrag vom Sohn  zu sich nehmen darf (dieser Meinung folgen einige Gelehrte), so muss der  Sohn dem Vater das Geld in dem Maße geben,, wie es der Vater benötigt;  den Rest braucht er ihm nicht auszuhändigen.
 
-  Der Ehemann darf nichts vom Geld der Frau nehmen (ihren Lohn), außer  wenn die Frau ihm etwas freiwillig schenkt. Der Mann muss für die  Familie finanziell aufkommen und nicht die Frau.
-  Es ist dem Sohn erlaubt, ohne Erlaubnis des Vaters zu verreisen, wenn  er dies tut um zu arbeiten oder zu lernen und er dabei keine Gefahr oder  Verderben zu befürchten hat (hinsichtlich Reise, Arbeit und Aufenthalt  im Ausland) und nicht fürchten muss, dass der Vater untergehen wird,  wenn er ihn alleine lässt. Ist dies alles nicht zu befürchten, so darf  er ohne Einwilligung des Vaters verreisen, selbst wenn der Vater ihn  davon abhalten will.
 
Dazu sagt Imâm As-Sarchasî, der der hanafitischen Rechtsschule folgt:
„  Wenn der Mann mit der Reise einen Handel anstrebt oder den Haddsch und  die ´Umra (jedoch nicht den Dschihâd), und die Eltern dies missbilligen  und er nicht den finanziellen Niedergang der Eltern befürchtet, so ist  ihm diese Reise erlaubt. Dies, weil man auf jenen Reisen meistens keine  Gefahr zu befürchten hat. Er darf auch verreisen, solange er nicht  fürchtet, dass die Eltern dadurch Mühsal erfahren (Die Traurigkeit der  Eltern wird bald verschwinden, da sie sich nach der Rückkehr des Sohnes  sehnen) und es keine gefährliche Reise ist, wie z.B. mit dem Schiff. In  diesem Fall zählt diese Reise wie das Hinausziehen zum Dschihâd, da die  Gefahr des Todes offensichtlich ist. Wenn er mit der Absicht verreisen  möchte weiterzulernen und der beabsichtigte Weg als sicher gilt, so ist  diese Reise nicht geringer zu schätzen als die Reise wegen eines  Handels, und zwar gemäß dem Vers:
 
„Es  steht den Gläubigen nicht zu, allesamt auszurücken. Wenn doch von jeder  Gruppe von ihnen ein Teil ausrücken würde, um von der Religion zu  erlernen und um ihre Leute zu warnen, wenn sie zu ihnen zurückkehren, so  dass sie sich vorsehen mögen.“ (Sûra 9:122)
 
So darf er in dieses Land reisen, auch wenn es die Eltern missbilligen und er nicht den Untergang für sie beide befürchtet.
 
Wenn  er auf Grund eines Handels verreist und auf dem Weg ein Land oder einen  Ort passiert, in dem Feinde der Muslime sind (und es ein Abkommen mit  den Muslimen gibt), die Gegner aber dafür bekannt sind, dass sie sich an  die Abmachungen (mit den Muslimen) halten, so darf er auch verreisen,  selbst wenn es die Eltern nicht möchten, da es dann so zählt, als  verreise er in ein islâmisches Land.“
-  Der Sohn darf seinem Vater nicht darin gehorchen, einen Kredit mit  Zinsen von der Bank zu nehmen. Es gilt die Regel, dass man niemandem  gehorchen darf, wenn dieser zu einer verbotenen Sache aufruft.
Gemäß  dem Erwähnten soll der Sohn sich für das entscheiden, was gut für ihn  ist. (Für seinen Glauben und seine weltlichen Angelegenheiten)
 
 
Und Allah weiß es am besten.