Das öffentliche Verlesen des Briefes
Nachdem Heraklius bestätigt hatte, dass er glaubte, dass Muhammad ein Prophet sei, sagte er:
“Ich wusste, dass er erscheinen würde, aber ich wusste nicht, dass er von euch kommen würde. Wenn das, was du sagst, wahr ist, wird seine Herrschaft sich über den Boden, auf dem ich stehe, erstrecken; wenn ich wüsste, ich könnte ihn persönlich sehen, würde ich die Reise auf mich nehmen, um ihn zu treffen; und wenn ich bei ihm wäre, würde ich seine Füße waschen.”
Dies stimmt mit der Plazierung dieser Geschichte nach dem Bericht von ibn al-Natur über Heraklius Versuch, die Zukunft astrologisch vorauszusagen, überein. Es ist offensichtlich, dass er ´wusste´ oder zumindest vermutete, dass sich ein mächtiger Prophet vom arabischen Volk erhoben hat. Zu dieser Zeit war es, dass er nach dem Brief fragte, den er vom Gesandten Gottes erhalten hatte, um ihn laut vor der Versammlung vorzulesen.
“Als Heraklius seine Rede beendet und den Brief verlesen hatte, erhob sich im Gerichtssaal großes Geschrei, daher wurden die Mekkaner herausgeworfen. Abu Sufyan wandte sich laut wundernd an seine Gefährten: “Die Angelegenheiten von ibn abi-Kabsha sind so berühmt geworden, dass sogar der König der Bani-Asfar (der Hellhäutigen) ihn fürchtet.”
Abu Sufyan erzählte später dem Überlieferer : “Ich war erschöpft - bei Gott - und schweigsam, sicher, dass die Angelegenheiten Muhammads erfolgreich sein werden, bis Gott mein Herz dazu brachte, den Islam anzunehmen.”
Heraklius in Homs
In der Zwischenzeit hatte Heraklius nach der Erzählung ibn al-Naturs einen Brief an einen Freund in Rom geschrieben, über den Brief, den er erhalten hatte, von dem er dachte, sein Wissen sei dem seinen gleich. Dann verließ er Jerusalem, um nach Homs (Emesa zu römischer Zeit) in Syrien zu gehen, wo er die Antwort erwartete.
“Als er die Antwort seines Freundes erhielt, sah er, dass der Mann ihm zustimmte, dass die Zeichen das Erscheinen eines neuen Führers ankündigten, und dass dieser Führer der erwartete Prophet war. Hierauf lud Heraklius alle seine Größen aus Byzanz in seinen Palast nach Homs zu einer Versammlung ein.
“Als sich seine Größen versammelt hatten, befahl er, dass alle Türen seines Palastes geschlossen werden sollen. Dann kam er heraus und sagte: “O ihr Byzantiner! Wenn Erfolg euer Begehren ist und wenn ihr Rechtleitung sucht und wenn ihr wollt, dass euer Reich bestehen bleibt, dann schwört dem auftauchenden Propheten Treue!
“Als sie diese Einladung hörten, rannten die Großen der Kirche wie eine Herde wilder Esel zu den Toren des Palastes, aber die waren geschlossen. Als er ihren Hass gegen den Islam bemerkte, gab Heraklius die Hoffnung auf, dass sie je den Islam annehmen würden, und er ordnete an, dass sie wieder in den Audienzsaal zurückgebracht wurden. Nachdem sie zurückgekehrt waren, sagte er: “Was ich gerade sagte, war nur, um die Stärke eurer Überzeugung zu prüfen; und ich habe sie gesehen.
“Die Leute fielen vor ihm nieder und waren zufrieden mit ihm und Heraklius wandte sich vom Glauben ab.”
Eine Legende entstand um die Ereignisse von Homs. Es wird gesagt, dass Heraklius zuerst seinen Bischöfen vorschlug, den Islam anzunehmen, als sie aber ablehnten, schlug er vor, dass das Reich dem Propheten des Islam Tribut zahlen sollte. Als sie dies wiederum ablehnten, schlug er vor, Frieden mit den Muslimen zu vereinbaren und einem Antikriegspakt zuzustimmen. Als auch dies abgelehnt wurde, verließ er Syrien, um nach Byzanz zu gehen, und er verlor das Interesse, das südliche Reich und den Osten Antiochs zu bewahren – er zog nie selbst gegen das Vorrücken der Muslime zu Felde und schickte inkompetente Generäle als Verteidiger der Ländereien im Mittleren Osten. Was sicher ist, ist dass er den Brief und den Anspruch auf das Prophetentum ernst genommen hat und jeden Versuch unternahm, um sein Volk zum Schwenken zu bewegen, bevor er umkehrte.
Das Erbstück
Der Historiker al-Suhayli war die Quelle zweier weiterer Geschichten, die im Zusammenhang mit dem Brief an Heraklius standen, beide hat ibn Hajar in seinem Kommentar von den oben zitierten Geschichten erwähnt. Er kommentierte, dass al-Suhayli sich daran erinnerte, von einem Brief gehörte zu haben, der in einer mit Diamanten verzierten Schachtel aufbewahrt wurde, die den hohen Status ihres Besitzers zeigte, und die bis zu jenem Tag als ein Erbstück hinterlassen wurde, und in die Hände des Königs von Franja gekommen war. Seine Nachkommen dachten, dass sie in der Zeit der Eroberung von Toledo in seinen Besitz gekommen war und der Kommandeur des muslimischen Heeres, Abdul Malik bin Saad, hatte davon im 12.Jahrhundert durch einen dieser Nachkommen erfahren. Einige von Abdul Maliks Gefährten berichteten, dass der Kommandeur des muslimischen Heeres mit dem König von Franja gesessen hatte, der den Brief aus seiner Schmuckschachtel nahm. Als Abdul Malik die sorgsam bewahrte Schriftrolle sah, wurde ihm klar, dass sie sehr alt sein musste, und er bat darum, die ehrwürdige Antiquität küssen zu dürfen. Allerdings wies der König von Franja seine Bitte zurück.
Al Suhayli sagte desweiteren, dass er von mehr als einem gehört hatte, dass der Jurist Nuraddin ibn Saygh al-Dimashqi sagte, er habe gehört Sayfuddin Flih al-Mansuri sei mit einem Geschenk von König al-Mansur Qalaun zum König von Marokko gesandt worden, der darauf das Geschenk an den König von Franja schickte im Austausch gegen einen unerwähnten Gefallen, den er gewährt hatte. Der König von Franja lud den Abgesandten ein, eine Weile in seinem Königreich zu bleiben, aber der lehnte das Angebot ab. Vor seiner Abreise fragte der König Sayfuddin allerdings, ob er ein wertvolles Objekt sehen möchte, das für ihn (als Muslim) möglicherweise von Interesse wäre. Dann ließ er eine Truhe bringen, die voller kleiner Fächer war, jedes Fach war mit Schätzen gefüllt.
Aus einem der Fächer nahm er eine lange, dünne mit Diamanten verzierte Schachtel (eher wie ein Etui für Stifte). Er öffnete sie und nahm eine Schriftrolle heraus. Das alte Papier der Rolle war beschädigt und die Schrift darauf irgendwie verblichen, aber das meiste davon war mit Hilfe von zwei Seidentüchern, mit denen sie zur Aufbewahrung aufgerollt worden war, bewahrt worden. Der König von Franja sagte: „Dies ist der Brief, den mein Vorfahre Cäsar von eurem Propheten erhalten hatte, er wurde mir als Erbstück überlassen. Unser Ahne hat hat in seinem letzten Willen bestimmt, dass seine Nachkommen dies als Erbstück aufbewahren sollen, wenn sie wünschten, dass ihr Königreich fortbestünde. Mit ihm sind wir gut beschützt, solange wir den Brief respektieren und ihn verborgen halten. So ist das Königtum zu uns gekommen.”
Wie korrekt der Anspruch ist, dass das Königreich des Heraklius (der offizieller Kaiser des gesamten Römischen Reiches gewesen war) an ihn vererbt wurde, ist fragwürdig, denn das byzantine Reich existierte im Osten noch immer und auch noch weitere 150 Jahre. Allerdings könnte Heraklius durchaus einen Brief nach Rom geschickt haben, wie zuvor erwähnt, und der Brief könnte dort aufgehoben worden sein und dann in der Linie Imperatoren der Westgoten weitergegeben worden sein, als Karl der Große 800 nChr in Rom von Papst Leo III zum Kaiser gekrönt wurde.
Wir können nicht kategorisch sagen, dass der Brief die Jahrhunderte tatsächlich überlebte, obwohl diese Geschichten auf die Möglichkeit hinweisen. Einer der Briefe des Propheten existiert noch immer auf seinem ursprünglichen Pergament im Topkapi Museum.
Schlussfolgerung
Viele könnte denken, dass Heraklius insgeheim Muslim geworden sei, denn er bemühte sich, herauszufinden, ob Muhammads Anspruch auf das Prophetentum wahr war, indem er seinen Hintergrund, seine Motivationen und seine Wirkung auf Menschen in Betracht zog; ebenso seinen Charakter, seine Leistung und seine Botschaft. Seiner Antwort auf Abu Sufyan nach zu urteilen und der Einladung an die Säulen seiner Gesellschaft in Homs scheint er davon überzeugt gewesen zu sein, dass Muhammad wahrhaftig war. Vielleicht war sein Herz dem Monotheismus, den Muhammad in seinem Brief zum Ausdruck brachte, zugeneigt, und er versuchte sicherlich, seinem Rat nachzukommen, die Sünde zu umgehen, diejenigen irrezuführen, über die er herrschte. Seine Untergebenen allerdings bewiesen sich als zu stark in ihrer Ablehnung, und er kapitulierte auf ihrem Druck hin, unfähig, sich diesem Glauben zu unterwerfen, denn er fürchtete den Aufstand der Menschen. Aus diesem Grund starb Heraklius als nicht Gläubiger an den Islam und den Propheten Gottes, genau wie der Onkel des Propheten, Abu Talib, der glaubte, dass Muhammad ein Prophet war und ihn den Rest seines Lebens bis zu seinem Tod behütete, aber er ergab sich wegen der Schande vor seinen Angehörigen nicht dem Islam.